3 Gründe warum Dein Urlaub zur Scheidung führt

1. Die Erwartungshaltung

Endlich Urlaub denken wir uns und freuen uns auf Schlafen, Sex, gutes Essen und viel Zeit miteinander.Vor unserem inneren Auge entsteht das Bild vom Paradies, in dem wir alle Freude sind, viel lachen und eine unbeschwerte Zeit miteinander verbringen. Und dann kommt der Reality-Check. Viele Paare erleben den gemeinsamen Urlaub als erstes Kapitel auf dem langen Weg zur Scheidung:

  • Statt Sex gibt es Streit.
  • Anstatt Kommunikation erleben sie die 4 apokalyptischen Reiter im Einsatz.
  • Statt viel Zeit miteinander zu verbringen, schaffen sie es die gemeinsame Zeit so zu organisieren, dass sie möglichst wenig miteinander machen müssen.
Der Urlaub als Trennungsgrund?

Was bleibt ist die Enttäuschung sowohl im Urlaub als auch nach dem Urlaub. Denn der Urlaub sollte endlich wieder mal eine schöne Zeit zu zweit und/oder als Familie sein. Stattdessen erleben wir im Urlaub oft wie fremd wir uns (geworden) sind. Wir stellen die Frage, ob Er/Sie wirklich der Traumpartner fürs Leben ist?

Einer der Gründe für die Enttäuschung sind unsere Erwartungshaltungen. Wir freuen uns auf den Urlaub und erwarten, dass all die Dinge, die uns im Alltag nerven im Urlaub von selbst verschwinden. Wir erwarten von unserem Partner, dass er/sie zuhört, mithilft, sich für uns interessiert etc. etc. Selbiges wird interessanterweise auch von uns erwartet. Dabei vergessen wir die Zufriedenheits- und Erwartungsformel:

Zufriedenheit = Erreichtes / Erwartetes

In einer Studie zum Thema Sexzufriedenheit in Beziehungen stellten Forscher fest, dass wir Annahmen über die Zufriedenheit anderer Paare treffen, die dazu führen, dass wir mit unserem eigenen Urlaub nicht zufrieden sind. Mit anderen Worten – wenn wir davon ausgehen, dass alle Menschen (außer wir) einen super Urlaub haben, führt dies dazu dass wir von unserem Urlaub enttäuscht sind bzw. werden. Eine zu hohe Erwartungshaltung in einen Urlaub führt oft dazu, dass wir dananch enttäuscht sind. Wenn ich z.B. davon ausgehe, dass ich im Urlaub jeden Tag Sex haben werde und ich habe es dann nur 2 mal pro Woche, dann bin ich enttäuscht. Wenn ich aber vorab mich darauf freue Sex mit dem Partner zu haben, ohne die Quantität in den Vordergrund zu stellen, dann wird meine Zufriedenheit höher sein.

 

2. Die Fortsetzung der Perfektionsfalle

In meiner Praxis als Mediator kommen oft Paare zu mir, deren Kommunikation im Alltagsstress zusammengebrochen ist. Eine der Ursachen dafür ist die Perfektionsfalle. Die Perfektionsfalle äußert sich darin, dass wir als Paar eine Menge Erwartungen und Vorstellungen an die Beziehung haben. Diese Erwartungen werden um einige Kapitel erweitert, wenn wir zusammenziehen. Der perfekt geführte Haushalt, die saubere Wohnung, die gut angezogenen Kinder etc. etc. sind Beispiele für unbewusst stressigen Alltagsinhalt vieler Familien. Unbewusst gehen wir davon aus, dass es einen Mindeststandard gibt z.B. an Sauberkeit einer Wohnung, den „jeder“ hat. Je perfektionistischer die Persönlichkeit desto heftiger die Perfektionsfalle.

Viele Paare nehmen ihre Perfektionsansprüche mit in den Urlaub. Sie wollen sicherstellen, dass es der perfekte Urlaub wird. Eben perfekte Unterkunft, sehr gutes Essen und viel lustige  Zeit miteinander. Im Urlaub wollen wir gerne perfekt aussehen, die perfekte Familie / glückliche Familie sein. Doch wenn wir zum ersten Mal nach längerer Zeit wieder mal richtig Zeit für einander haben, brauchen wir auch einige Zeit, damit diese neue Organsiationsform (fremder Ort, andere Menschen, etc.) „funktioniert“.

Wege aus der Perfektionsfalle

Die Herausforderung liegt daher darin vorab für sich selbst festzulegen was realistisch ist und was nicht. Ich kann in 2-3 Wochen Urlaub nicht 10-12 Monate  Beziehungsprobleme wegwischen. Ich kann dafür sehr wohl damit anfangen gemeinsam und miteinander die Beziehung positiv zu erleben. Gerade wenn ein Paar Kinder hat und im Alltag in der ganz normalen organisatorischen Perfektionsfalle steckt, ist es wichtig miteinander vorher zu klären was sich beide vom Urlaub erwarten. Dabei sind folgende Fragen wichtig:

  • Was ist im Urlaub wichtig und was nicht?
  • Muss es jeden Abend ein super Essen geben und wenn ja wer macht es?
  • Was können wir neu / anders machen?
  • Was wollen wir erleben bzw. ausprobieren?

Für beide Seiten gilt es sich das vorzunehmen, was für einen selbst im Urlaub und für die Beziehung wichtig ist. In kleinen Schritten festlegen was wir beide wollen, ist was anderes als nicht darüber zu reden und davon ausgehen, dass er/sie „eh Bescheid weis, was ich am Liebsten mache“. Klassische Paarkonflikte im Urlaub entstehen z.B. wenn eine Seite Sport treibt und dies nicht mit der anderen Seite vorher bespricht und plant. Das gemeinsame Gespräch über Bedürfnisse und Erwartungen an den Urlaub hilft hier weiter. Es könnte z.B. darüber gesprochen werden, welche 3 Dinge ich mir für mich selbst erwarte und wünsche.

3. Fehlende Langeweile – Was viele von uns nicht mehr können

Entspannen, an nichts denken, „runterkommen“. Das wollen laut einer aktuellen Studie die meisten Menschen im Urlaub. Die Voraussetzungen dafür schaffen wir jedoch meistens nicht. Denn eine Voraussetzung für Entspannung ist z.B. Langeweile zulassen, keine Pläne schmieden, wirklich nichts tun bzw. in den Tag hineinleben. Zugegebenermaßen ist dies in einer Welt in der wir unser Smartphone am Tag im Schnitt 2000 mal berühren sehr schwierig. Wenn Du Kinder hast ist es noch schwieriger, denn die brauchen ja Programm. Oder ist es das was sie wirklich brauchen? Vielleicht brauchen Sie ja eher „Quality time“ mit Dir? Und das kann einfach zusammen sein, miteinander spielen, in den Wald gehen und dort was erleben sein.

Zurück zu Grund 3 – warum ist fehlende Langeweile im Urlaub ein Scheidungsgrund für viele Menschen? Im Alltag erliegen wir – siehe Grund 2 – der Perfektionismusfalle. In voller Ausführung führt das Perfektionismusmodell oft zu Burn-Out ähnlichen Zuständen. Dieser Antipol zur Langeweile wird im Urlaub  zur Herausforderung. Wer gewohnt ist jeden Tag über Whatsapp zu kommunizieren mit Familie und Freunden, 10 mal auf FAcebook zu checken was los ist, noch öfter zu schauen ob es ein wichtiges Email gibt etc. etc. der kommt nur sehr schwer zur Ruhe.

Das Smartphone im Urlaub

Ein Tipp dagegen im Urlaub ist daher eindeutig, das Smartphone NICHT zu nutzen, außer zum Telefonieren. Und da reicht es, dass es 1 mal am Tag einen Mobilbox-Check mit Rückrufoption gibt. Warum ist dies so wichtig? Studien zeigen, dass wir nervöser und weniger aufmerksam sind, wenn wir unser Smartphone in unserer Nähe (gleiches Zimmer) haben. Folgendes Beispiel fällt mir dazu ein: Stelle Dir vor ihr sitzt im Urlaub beim Mittagessen oder Abendessen und 1 Smartphone klingelt, beept oder macht einen anderen Ton. Was passiert? Die Aufmerksamkeit der anwesenden Personen richtet sich auf die wichtige Nachricht, die reingekommen ist. Das Gespräch wird direkt oder indirekt unterbrochen. Im Arbeitskontext wurde nachgewiesen, dass schon durch eine Nachricht „Du hast eine Nachricht erhalten“ es mehrere Minuten dauert, bis wir uns wieder voll konzentrieren können. Für den Urlaub gilt dies erst recht. Wenn wir ständig online sind, kommen wir nicht runter. Wenn wir nicht runter kommen, ist es nicht möglich dass sich unsere Seelen berühren oder unsere Aufmerksamkeitskreise überschneiden.

Wie sieht echte Langeweile im Urlaub aus?

Das ist eine gute Frage – denn ich erlebe sie auch nur sehr selten. Sie beginnt damit, dass ich in der Früh nicht zuerst in mein Handy schaue, sondern erst im Laufe des Tages, optimalerweise am Abend dran decke zu schauen was reingekommen ist. Dann liege ich im Bett und schaue für ein paar Minuten einfach nur in die Luft. Der Urlaubstag ist noch nicht geplant. Erst beim Frühstück wird darüber gesprochen was wir heute machen. Vielleicht machen wir  dann einfach mal gar nichts. Ich war diesen Sommer in Dänemark im Urlaub am Strand. Da funktioniert das besonders gut, weil das Wetter sich so oft ändert, dass eine fixe Planung gar nicht möglich ist. Beste Voraussetzungen für spontanes Langweilen.

Warum ist Langeweile so wichtig?

Jesper Juul sagt, dass Langeweile die Voraussetzung ist für Kinder, damit sie kreativ sein bzw. werden können. Die Herausfordeurng liegt bei den Eltern, dass die Kinder nicht bespaßt werden bzw. ständige neue Programmvorschläge kommen. Für Erwachsene ist dies ähnlich. Ich merke, dass ich erst dann neue Gedanken spinnen kann, bzw. kreativ werden kann, wenn mein Kopf leer ist. Dann entstehen neue Assoziationen. In meinem Fall hilft hier z.B. viel Schlaf, bzw. rechtzeitig ins Bett zu gehen. Dazu eine Brise Bewegung bzw. regelmäßiger Sport und gutes Essen. Dies sollte am Besten gemeinsam zubereitet werden. Dann ist es noch schwerer über die Arbeit oder Probleme nachzudenken. Und dann ein im Meer Schwimmen gehen oder in den Wald Schwammerl suchen. Und schon stellt sich dieses Gefühl des „Nichtplanens“ bzw. der „Nichtdenkens“ ein.

Wenn der Urlaub dann vorbei ist….

Was mache ich wenn, die obigen Gründe eingetreten sind und der Urlaub ein Desaster war? Nimm Dir Zeit und sprich es an. Sprecht miteinander darüber, was ihr beide dazu beitragen könnt, damit es beim nächsten Urlaub anders wird. Geht die einzelnen Punkte durch und sprecht über Eure Erwartungen, was im nächsten Urlaub nicht (mehr) so perfekt sein muss und wie und wo ihr Langeweile zulassen könnt.  Viel Spaß beim Ausprobieren.

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